BURGTURM RAAF (Eynatten).
Die grosse Landstrasse von Eupen nach Aachen durchschneidet Eynatten und biegt einige Meter vor der Kirche in einem scharfen Knick nach links. Gerade aus, Nordostwerts, führt die Lichtenbuscher Strasse zum gleichnamigen Weiler an der belgisch-deutschen Grenze.
Folgen wir dieser etwa 1300-1400 m und richten dann unsere Blicke nach rechts: In etwa 350 m Entfernung erhebt sich aus der Ebene ' die imposante Masse eines viereckigen Wohnturms, der die nahen landwirtschaftlichen Gebäude zu erdrücken scheint.
Es ist die Wasserburg Raaf, ähnlich den Häusern Raeren und Weims, wenn man von den vier runden Ecktürmchen absieht, die den Bau bekrönen. Im Aachener Raum sind solche Ecktürmchen häufig, im Herzogtum Limburg aber eher selten. Raaf war eine allseits von Wassergräben umgebene Anlage.
Heute sind diese Gräben, ausser an der Nordseite, zugeschüttet. Der alte 12 m hohe Wohnturm mit einer Grundfläche von 8 x 12 m ist nur noch eine Ruine, die mehr und mehr verfällt. Die dicken Mauern zeigen Risse. Dach, Fussböden, Fenster und Türen sind verschwunden.
Christian Quix schrieb schon 1836: "Schade, dass dieses alte Schloss nicht im Baue erhalten worden ist, welches leicht geschehen konnte, da seine Gebäulichkeiten nicht weitschichtig sind." Seit 1832 steht der alte Wehrturm ohne Dach; Hans Königs, ehemaliger Stadtkonservator von Aachen, hatte schon 1940 sich dafür ausgesprochen, die Mauerkrone durch Abdeckung vor weiterem Verfall zu sichern. Leider blieb es bei guten Absichten… Auch der Denkmalschutz kann Raaf nicht retten.
Die Hauptfassade des Wohnturmes war nach Osten, zum Hof des Bauerngutes, gerichtet. Ober eine Zugbrücke war der Turm mit dem Bauernhof verbunden. Später dürfte eine hohe Freitreppe Zugang geboten haben. Unter der Türschwelle, wie auch an vielen Fensteröffnungen, ist das Mauerwerk in sich zusammengestürzt. Noch vorhandene Fensterrahmen deuten auf Umbauten des 18. Jahrhunderts.
Anfangs hatte Raaf nur spärliche kleine Fensteröffnungen. Die meisten sind noch im Mauerwerk auszumachen, aber vermauert. Im Sockel sieht man drei Schiessscharten. Die Nordseite weist noch auf der Höhe der ersten Etage die Reste einer auf Konsolen ruhenden ehemaligen Toilette auf.
Der frühere Burggraben hatte eine erhebliche Breite, so dass Raaf kaum zu belagern war.
Reiners (Kunstdenkmäler von Eupen-Malmedy) schliesst aus den unterschiedlichen Baumaterialien auf drei Bauphasen: Der Sockel stamme aus dem 14. Jahrhundert, die drei unteren Stockwerke seien dem 15.-16. Jahrhundert und die obere Partie dem 18. Jahrhundert zuzuschreiben. Die Ecktürmchen scheinen jedoch bedeutend älter zu sein.
Raaf war ein Lehngut des Aachener Marienstiftes und dürfte seinen Namen dem limburgischen Adelsgeschlechte derer von Rave zu verdanken haben. Doch schon in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts befindet sich Raaf im Besitz der Familie Crümmel von Eynatten, die uns 1380 mit Johann Crümmel begegnet.
"Seit dem Entstehen der Lehensprotocolle erscheinen die Crümmel von Eynatten in denselben als Laten des Lehenhofes, und zwar war Johann Crümmel 1395 Lat desselben", schreibt Quix (1).
1431 stirbt Diederich Crümmel von Eynatten, Besitzer von Raaf. Seine Güter fallen an die Tochter, Gattin des Sander Mönch von Rossmoelen.
1439 wird deren Sohn Diederich mit Raaf belehnt.
Die Crümmel von Eynatten waren durch Heirat mit vielen Junkerfamilien des Walhorner Landes verbunden, so u. a. den Schwarzenberg, den de Lamboy und den Bertolf von Belven.
Ausser der Burg Raaf und den dazugehörenden Ländereien besassen die Crümmel u. a. die aus dem Lehen von Raaf hervorgegangenen Höfe Neuenhof und Steinkaul, den Göhlhof, das Rattenhaus und das später Waldenburgshaus genannte Schloss in Merols.
1504, nach dem Tode des Johann Crümmel, wurde der Sohn "Sander von Eynatten, genannt Crümmel von der Raaf' mit Schloss und Hof Raaf belehnt.
1507 folgten dessen Sohn Johann Crümmel von der Raaf und dessen unmündige Schwestern Katharina, Johanna und Maria. Die beiden Erstgenannten traten später in die Abtei Burtscheid ein.
Anna, die Tochter des genannten Johann Crümmel, wurde nach dem Tode ihres Vaters mit Raaf und dessen übrigen Gütern belehnt. Sie heiratete in erster Ehe den Junker Adam von Bock und in zweiter Ehe Engelbert von Etzbach. Aber auch die Brüder des Verstorbenen, Reinart und Wilhelm Crümmel, hatten Ansprüche auf Raaf, so dass nach dem Tode des genannten Reinart dessen Sohn Simon 1545 für sich und seine Geschwister mit Raaf belehnt wurde.
1570 geht Raaf an Reinart von Etzbach, Sohn des verstorbenen Engelbert von Etzbach und dessen Gattin Adrian(a)/Anna Crümmel von der Raaf.
1580 empfangen die Eheleute Johann von Moers und Christine von Etzbach (Tochter des Engelbert von Etzbach) ihren Anteil an Raaf.
Die von Moers bleiben im Besitze von Raaf. 1647 ist Wilhelm von Moers, verheiratet mit Johanna von Vos, auf Raaf, das durch Erbteilung an die Tochter Anna-Margaretha fällt, die den Besitz durch Heirat in die Familie von Lamboy bringt.
Zu Anfang des 17. Jahrhunderts waren die Junker Crümmel in zwei Hauptstämme aufgeteilt, zu der Raaf und zu Merols genannt. In königlichkaiserlichen Diensten war der Oberleutnant Johann Crümmel von der Raaf (vom Göhlhof).
"Die Crümmel zu Merols, die aus dem Hause Raaff herstammten, und sich zu Merols und der dortigen Gegend teils eingeheiratet, teils eingekauft, hatten sich jetzt (i. Hälfte 17. Jh.) durch Teilungen und Heiraten mit nicht Junkern dem Bauernstande so genähert, dass sie füglich nicht mehr zu jenen können gerechnet werden (2).
1647 gehörten zu Raaf noch rund 200 Morgen Land.
1651 wurde Johann von Moers mit Raaf belehnt, wo seine Schwester Anna Margaretha, verheiratet mit dem Junker Karl von Lamboy von Croenendal, wohnte. Deren Sohn Johann Sigismund heiratete 1692 Margaretha von Berge von Trips und 1709 in zweiter Ehe Maria Magdalena Bertolf von Belven. Ausser Raaf gehörte diesem Sigismund von Lamboy auch der Hof Steinkaul (Kalkofen), der 1776 durch Kauf an den Schöffen Arnold Schmetz kam.
Aus der zweiten Ehe stammten drei Söhne, von denen der älteste, Engelbert von Lamboy, Besitzer von Raaf wurde. Er heiratete 1753 Franziska von Flamige, de 1789 (als Witwe) Raaf bewohnt. Einige Jahre später geht Raaf durch Kauf an den Walhorner Schöffen Arnold Schmetz. Dieser starb am 1. Januar 1807. Die Witwe, Katharina Pael, hinterlässt Raaf ihrer Nichte Maria Helena Pael, die es in die Ehe mit Jakob Andreas Coenen einbringt.
Deren Tochter Maria Catharina Coenen erbt Raaf um 1891. Sie heiratete Friedrich Hertzog. Die aus dieser Ehe hervorgegangenen Kinder Adolf und Alwine Hertzog erben Raaf um 1907. Der Sohn übernahm vermutlich den Teil seiner Schwester. Er verkaufte Raaf 1919 an die Gebrüder Heinrich und Nikolaus Wilhelm Jennes.
Letzterer wurde 1927 alleiniger Besitzer von Raaf.
+ in unserer Rubrik FOTOS
1) Ch. Quix, Beiträge zu einer historisch-topographischen Beschreibung des Kreises Eupen, Aachen 1836, S - 181
2) Ch. Quix, a. a. 0. S. 190
Aus "LES DELICES DU DUCHE DE LIMBOURG von Guy POSWICK" - (1951).